
Professor Reinhold Tüxen, ein Schlüsselfigur in der Pflanzensoziologie, steht im Fokus einer intensiven Untersuchung seiner Verbindungen zum Nationalsozialismus. Eine Kommission unter dem Niedersächsischen Heimatbund prüft derzeit, ob der 1980 verstorbene Wissenschaftler an der Kartierung von Auschwitz beteiligt war. Diese neue Studie soll im März veröffentlicht werden und könnte erhebliche Auswirkungen auf den nach ihm benannten Tüxen-Preis haben, der seit 1987 für herausragende Leistungen in der Vegetationskunde verliehen wird und mit 5000 Euro dotiert ist, wie schlz.de berichtet.
Wesentlich zu dieser Debatte beigetragen hat Thomas Krueger, Geschäftsführer des Heimatbundes, der betont, dass die Frage nach Tüxens potenzieller Unterstützung des NS-Regimes nicht abschließend geklärt ist. Es gab bislang kaum umfangreiche Archivstudien, die Aufschluss über Tüxens Rolle während dieser Zeit geben könnten. Tüxen selbst lebte den letzten Teil seines Lebens in Todenmann und war für seine internationalen wissenschaftlichen Kontakte bekannt.
Tüxens umstrittene Vergangenheit
Bereits 2016 hatte der Historiker Nils Franke in einem Artikel auf Tüxens ideologische Verbindungen zu Naturschutzaktivisten und dem Nationalsozialismus hingewiesen. Tüxen war 1942 ein vehementer Verfechter der Ausrottung des kleinwüchsigen Springkrauts und war an der Begrünung des Reichsparteitagsgeländes in Nürnberg beteiligt. Zudem war er in die Tarnung des Westwalls involviert und sein Institut wertete Luftaufnahmen für die Wehrmacht aus, wobei er auf dem Gebiet der Vegetationskunde wichtige Impulse gab, die in einem klaren Kontext zur damaligen Militärpolitik standen.
Die Untersuchung von Tüxens Vergangenheit wurde von der Schaumburger Landschaft angestoßen und erhält finanzielle Unterstützung von der Bingo-Stiftung. Im Jahr 2018 äußerte Christian Nicolaisen die Meinung, dass der Tüxen-Preis aufgrund dieser Verflechtungen nicht mehr seinen Namen tragen könne. Solche Bedenken wurden auch von Richard Pott, dem damaligen Vorsitzenden der Tüxen-Gesellschaft, aufgegriffen, der darauf hinwies, dass Tüxen über seine Verbindungen selbst publizierte.
Ambivalente Rolle der Biodynamik
Ein weiterer Aspekt, der im Kontext der aktuellen Diskussion nicht unberücksichtigt bleiben sollte, ist die Rolle der Biodynamiker während des Nationalsozialismus. Die Bewegung, in der Tüxen eine bedeutende Persönlichkeit war, hatte eine ambivalente Beziehung zum NS-Regime. So berichtete demeter.de, dass führende Biodynamiker oft versuchten, ihre Bewegung zu retten, während sie gleichzeitig mit dem radikalisierenden Unrechtsregime kollaborierten.
In der Korrespondenz mit der Nazi-Verwaltung wurden keine ideologischen Elemente übernommen und die Mitgliedschaft in NS-Organisationen war im Vergleich zur Gesamtbevölkerung gering. Dennoch gab es Übergriffe, wie die missbräuchliche Nutzung von Häftlingen in KZs für experimentelle Zwecke, die tiefgreifende Fragen über ethische Komplikationen aufwerfen.
Die anstehende Studie zum Tüxen-Preis verspricht, nicht nur die Verstrickungen Tüxens zu beleuchten, sondern auch breitere Reflexionen über die Beziehungen zwischen Wissenschaft, Ideologie und Ethik anzustoßen. Die geforderte Wachsamkeit gegenüber einer möglichen Vereinnahmung von Ideologien und deren Einfluss auf wissenschaftliche Disziplinen ist relevanter denn je.