
Die Stahlindustrie steht vor einem massiven Umbruch, der nicht nur die Umwelt, sondern auch die wirtschaftliche Basis der Branche nachhaltig verändern könnte. Der Druck zur Reduzierung von CO₂-Emissionen nimmt zu, da die EU und der Klimaplan der Bundesregierung strenge Emissionsgrenzen setzen. Jährlich verursacht die deutsche Stahlindustrie rund 40 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen, was etwa 20% des deutschen Treibhausgasausstoßes entspricht. Ein Großteil dieses Ausstoßes stammt aus den Hochöfen, die traditionell Kohle zur Roheisenproduktion verwenden. Die Salzgitter AG erhebt hier Anspruch auf eine führende Rolle mit seiner Initiative SALCOS® (Salzgitter Low CO₂ Steelmaking), die bis 2033 eine CO₂-Reduktion um bis zu 95% anstrebt, berichtet die Deutsche Bank.
Die Transformation zur klimafreundlichen Stahlproduktion bedeutet jedoch auch, dass erhebliche Investitionen nötig sind. Laut einer Studie von Oliver Wyman muss die Branche weltweit bis 2050 etwa 1,5 Billionen Euro in Nachhaltigkeitsmaßnahmen investieren. Salzgitter hat bereits erste Schritte in diese Richtung unternommen und plant, Wasserstoff als Ersatz für Kohle zu nutzen. Dies würde nicht nur die Emissionen im eigenen Produktionsprozess senken, sondern auch positive Auswirkungen auf nachgelagerte Industrien, wie die Automobil- und Windkraftindustrie, haben.
Innovative Wasserstofftechnologien
Die Verwendung von Wasserstoff gilt als Schlüsseltechnologie für die Dekarbonisierung. Salzgitter AG hat einen Wasserstoff-Elektrolyseur in Betrieb genommen und trägt aktiv zur Entwicklung der benötigten Infrastruktur bei. Das Unternehmen investiert in seine Phase 1 des SALCOS-Programms mit 2,3 Milliarden Euro, wovon eine Milliarde Euro durch Zuschüsse von Bund und Land Niedersachsen bereitgestellt wird. Der Deutsche Bank kommt hierbei die Rolle des Kreditgebers und Nachhaltigkeitskoordinators zu.
Doch Salzgitter ist nicht allein in diesem Bestreben. Thyssenkrupp verfolgt ebenfalls eine ehrgeizige Strategie, bei der Wasserstoff für die Produktion eingesetzt wird, und plant eine vollständige Elektrifizierung der Prozesse, um die nahezu CO₂-neutrale Stahlerzeugung zu erreichen. In Duisburg wird bereits die Carbon2Chem-Technologie genutzt, um Hüttengase in Rohstoffe umzuwandeln. Ein Pilotprojekt zur Wasserstoffnutzung wird von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen gefördert und soll eine CO₂-Einsparung von rund 20% bringen.
Chancen und Herausforderungen
Die Entwicklung umweltfreundlicher Stahlproduktionsmethoden könnte den europäischen Stahlproduzenten im internationalen Wettbewerb einen erheblichen Vorteil verschaffen. Immer mehr Unternehmen, darunter auch namhafte Automobilhersteller wie BMW, VW und Daimler, haben bereits grünen Stahl bestellt. Salzgitter befürwortet zudem die Einführung von grünen Leitmärkten mit Quoten für grünen Stahl bei öffentlichen Ausschreibungen.
Allerdings sind auch Herausforderungen zu bewältigen. Hohe Kosten für grünen Wasserstoff und die begrenzte Marktverfügbarkeit stellen ernste Hindernisse dar. Es wird als äußerst wichtig erachtet, dass der Staat die Entwicklung dieser Technologien aktiv unterstützt. Um bis 2025 eine CO₂-Einsparung von bis zu 26% zu erreichen, benötigt Salzgitter Elektrolyseure mit einer Gesamtleistung von 1.700 Megawatt.
Der Erfolg von Salzgitter könnte als Vorbild für die gesamte Stahlindustrie fungieren und andere Branchen dazu anregen, ähnliche Schritte in Richtung Nachhaltigkeit zu unternehmen. Ein Umdenken ist gefordert, da der Stahlsektor nicht nur für seine eigenen Emissionen verantwortlich ist, sondern auch für die Reduzierung der Emissionen in anderen bedeutenden Industrien, wie dem Automobil- und Bauwesen.
Für eine tiefere Einsicht in die Vorhaben der Salzgitter AG und die Rolle von Wasserstoff in der Stahlindustrie sind die Berichte von der Deutschen Bank, BDEW und WV Stahl von Bedeutung.