
In einem Landgasthof nördlich von Oldenburg finden seit Monaten Vortragsveranstaltungen statt, die stark von der Querdenkerszene geprägt sind. In dieser Umgebung versammelt sich ein Publikum, das den Inhalten von Referenten wie Kayvan Soufi-Siavash, besser bekannt als Ken Jebsen, eine große Aufmerksamkeit schenkt. Es wird berichtet, dass bei einer kürzlichen Veranstaltung Ende März über 100 Besucher anwesend waren. Jebsen, ein notorischer Skeptiker der Demokratie in Deutschland, äußert kontroverse Ansichten und leugnet, dass die Bundesregierung unabhängig agiert. Während dieser Präsentation warnte er vor der Entfremdung der Menschen in einer „sogenannten“ Demokratie, wo diese seiner Meinung nach nicht selbstständig denken oder sprechen könnten.
Filmaufnahmen sind bei diesen Veranstaltungen nicht gestattet, was den Eindruck der Geheimniskrämerei verstärkt. Der Politikwissenschaftler Joschua Helmer beschreibt die Querdenkerszene als ein vielfältiges Kollektiv, verbunden durch die Ablehnung des bestehenden politischen Systems und den Glauben an verschiedene Verschwörungserzählungen. Jebsen, der auch Widersprüche in seinen Aussagen einflicht, hat beispielsweise den russischen Angriffskrieg als amerikanisches Werk bezeichnet. Er hat angeregt, bei den kommenden Wahlen die AfD zu wählen und thematisiert dabei auch die Friedensfrage in Europa.
Kritische Ansichten und Antisemitismus
Helmer hebt hervor, dass Antisemitismus ein wiederkehrendes Element innerhalb vieler Querdenker-Vorträge ist. Dies wird besonders deutlich, als Jebsen Israel im Kontext des Gazakriegs mit Nazideutschland vergleicht. Seit Mai 2024 sind regelmäßig weitere Querdenker wie Wolfgang Wodarg im Erbkrug aufgetreten, der die Corona-Pandemie als eine Inszenierung der Pharmaindustrie abtut. Insgesamt geschehen diese Veranstaltungen oft im Verborgenen, für die Öffentlichkeit kaum noticebar. Teilnehmer werden über eine Telegram-Gruppe informiert; genaue Daten und Veranstaltungsorte werden nicht reklamiert.
Bürgermeister Matthias Huber von Godensholt hat sich klar gegen die Ausrichtung solcher Veranstaltungen ausgesprochen und betont, dass es in seiner Gemeinde eine intakte Dorfgemeinschaft gibt, die solche Zusammenkünfte nicht wünscht. Der Gastronom des Landgasthofs hat ein Interview zur Lage abgelehnt, trotz der öffentlichen Aufmerksamkeit, die auf diese Vorträge gerichtet ist.
Verschwörungstheorien im Großen
Die Querdenken-Bewegung hat über die letzten Jahre eine ständige Präsenz in der deutschen Öffentlichkeit aufgebaut. Nach Angaben der bpb fanden zwischen 2020 und 2021 zwischen 12.000 und 15.000 Versammlungen statt. Dabei empfanden viele Teilnehmer anfangs Sorgen um Einschränkungen ihrer demokratischen Freiheiten und die ökonomischen Folgen der Pandemie. Doch im Laufe der Zeit wurden Verschwörungserzählungen zum verbindenden Element dieser Bewegung. Erste große Mobilisierungen zogen in Berlin über Zehntausende an; im Nachgang gingen die Zahlen jedoch deutlich zurück. Diese Entwicklung hat auch zur Radikalisierung verschiedener Gruppierungen innerhalb der Szene beigetragen.
Es wird berichtet, dass sich zunehmend Rechtsextreme und Verschwörungsgläubige in der Querdenken-Bewegung gesammelt haben. Die Folgen dieser Radikalisierung sind besorgniserregend. Extrem rechte Aktivisten könnten durch die Protestversammlungen Gehör finden und versuchen, ihren Einfluss auszubauen. Schüsse oder Gewaltaufrufe gegen Politiker und Medienschaffende sind in der Vergangenheit bereits vorgekommen, wobei Extremfälle wie der Mord an einem Tankstellenmitarbeiter durch einen Pandemieleugner im September 2021 die Gefährlichkeit dieser strömung verdeutlichen.
In Anbetracht der sich schnell verändernden Situation innerhalb der Querdenker-Bewegung kündigten NDR und taz eine baldige Beendigung der Veranstaltungskette in Oldenburg an. Die Debatte über die Akzeptanz dieser radikalen Ansichten in der Gesellschaft bleibt jedoch weiterhin brisant und wird von Fachleuten aufmerksam beobachtet.