
Am 22. Januar 2025 steht eine 39-Jährige vor dem Oberlandesgericht Celle. Ihr wird die Beteiligung an den umstrittenen Plänen der sogenannten „Reichsbürger“-Bewegung vorgeworfen, die die Bundesregierung stürzen wollte. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens erhoben. Die Angeklagte kommt aus dem Landkreis Hildesheim und soll aktiv zur sogenannten „Kaiserreichsgruppe“ gehören.
Diese Gruppe plante im Jahr 2022 einen bundesweiten Stromausfall sowie die Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Laut der Anklage trat die 39-Jährige nicht nur als passives Mitglied auf, sondern unterstützte auch aktiv die Pläne, eine neue Regierung im Geiste des Deutschen Kaiserreichs zu etablieren. Ihre Rolle umfasste technische Unterstützung und Nahkampfausbildung. Darüber hinaus nahm sie an zwei Meetings der Gruppe in Verden und Schlotheim (Thüringen) teil.
Der Prozess und seine Hintergründe
Die Angeklagte hat zu Beginn des Prozesses geschwiegen; ihre Verteidigung kündigte jedoch an, dass sie sich bald äußern wolle. Ein beunruhigendes Detail wurde bekannt, als eine Polizeioberkommissarin berichtete, dass die Frau während einer Demonstration gegen staatliche Corona-Maßnahmen vor einem drohenden Verbrechen warnte. Trotz ihrer Warnung äußerte sie gleichzeitig Besorgnis um ihr Leben und das ihrer Kinder, was Fragen zu ihrer Loyalität und ihrer Ideologie aufwirft.
Der Prozess ist der erste seiner Art, der die Aktivitäten der „Kaiserreichsgruppe“ in Niedersachsen beleuchtet. Mehr als 20 Verhandlungstage sind angesetzt, um die Rolle der Angeklagten im Detail zu klären. Der Beginn des Verfahrens war ursprünglich für die Vorwoche geplant, musste aber aufgrund der Erkrankung des Verteidigers verschoben werden. Ein neuer Pflichtverteidiger wurde bestellt, und der nächste Termin ist für den 12. Februar 2025 angesetzt.
Reichsbürgerbewegung und Radikalisierung
Die „Reichsbürger“-Bewegung ist eine Sammlung von anticonstitutionalen, revisionistischen Gruppen und Individuen, die die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland ignorieren und behaupten, das Deutsche Reich von 1871 bis 1918 existiere weiterhin. Schätzungen zufolge umfasst die Bewegung etwa 21.000 Mitglieder in Deutschland, und sie wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft. In den letzten Jahren hat die Bewegung an Aufmerksamkeit gewonnen, teilweise durch verschiedene gewaltsame Vorfälle, die ihren extremistischen Charakter unterstreichen.
Die Radikalisierung innerhalb der Reichsbürgerbewegung ist besorgniserregend, insbesondere seit der COVID-19-Pandemie, als viele Mitglieder sich mit der Querdenker-Bewegung zusammengeschlossen haben. Die Ideologien dieser Gruppen sind oft mit Verschwörungstheorien, Antisemitismus und Rassismus verbunden. Rund 10 % der Souveränist:innen, die Teil dieser Bewegung sind, werden als gewaltorientiert eingestuft. Strafrechtliche Aktivitäten reichen von Steuerverweigerung über gefälschte Dokumente bis hin zu bewaffneten Konfrontationen.
Im Jahr 2022 wurden 1.358 politisch motivierte Straftaten von Souveränisten verzeichnet, was im Vergleich zu 776 im Jahr 2018 einen alarmierenden Anstieg darstellt. Diese Entwicklung zeigt, dass die Bedrohung durch die Reichsbürgerbewegung nicht ignoriert werden kann. Die Staatsanwaltschaft verfolgt mehrere Verfahren gegen mutmaßliche Mitglieder, wobei einige bereits abgeschlossen sind und weitere gegen andere Gruppenmitglieder vor dem Oberlandesgericht Koblenz laufen.
Bundesweite Razzien und Überwachungen haben gezeigt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die Reichsbürgerbewegung seit 2016 aktiv überwacht. Ziel ist es, der Radikalisierung entgegenzuwirken und gewalttätigen Auseinandersetzungen vorzubeugen. Das Verfahren gegen die 39-Jährige in Celle könnte wichtige Rückschlüsse auf die Strukturen und Vorhaben solcher Gruppen zulassen.