
Die Debatte um das Gemälde „Wicken und Rosen (Erbsenblüten)“ von Lovis Corinth bleibt weiterhin ein heikles Thema in Hannover. Die Stadt gibt bekannt, dass eine endgültige Entscheidung über die Rückgabe des Gemäldes, das 1949 aus der Sammlung Conrad Doebbeke angekauft wurde, in naher Zukunft erwartet wird. Die jüdische Familie Levy hat seit Jahren Anspruch auf Rückgabe, da sie in der Zeit des Nationalsozialismus aus Deutschland fliehen musste. Die Forderungen der Familie bestehen bereits seit 2008, und die Erben werden von der Rechtsanwältin Sabine Rudolph vertreten. Trotz mehrfacher Rückgabegesuche lehnt die Stadt Hannover eine Übergabe des Bildes ab und verweist auf unzureichende Beweise für einen Druckverkauf.
In der Podcastreihe „Tatort Kunst“, moderiert von dem Kunstexperten Stefan Koldehoff, wird das Schicksal des Werks thematisiert. Koldehoff argumentiert, dass die Stadt Hannover nicht nur die Rückgabeforderungen ignoriert, sondern auch ihre eigene Begründung für die Ablehnung nicht ausreichend stützt. Annette Baumann, eine Provenienzforscherin, die sich seit mehr als 15 Jahren mit der Herkunft der Doebbeke-Sammlung beschäftigt, hat neue Informationen entdeckt, die darauf hindeuten, dass das Bild möglicherweise Eigentum des Galeristen Justin Thannhauser gewesen sein könnte, der ebenfalls verfolgt wurde.
Unklare Provenienz und Zeitspiel
Trotz der neuen Hinweise bleibt die Stadt Hannover uneinsichtig. Kulturdezernentin Eva Bender hat erklärt, dass eine abschließende Klärung der Restitution bisher nicht möglich ist. Die Stadt plant, den Fall an eine Beratende Kommission oder ein Schiedsgericht abzugeben. Koldehoff bezeichnet diese Entscheidung als ein „Spiel auf Zeit“ und fordert die Verantwortlichen auf, ihre Vermutungen zu belegen. Es ist von großer Bedeutung für die Erben der Familie Levy, dass die Stadt Hannover ihrer Verpflichtung zur Rückgabe nachkommt.
Die Thematik der Rückgabe von geraubten Kunstwerken hat im deutschen Diskurs über die letzten Jahre an Bedeutung gewonnen. Die Rolle Frankfurts als wichtigen Standort für die Rückgabe von Kulturgütern sollte hierbei nicht unterschätzt werden. So fand im Rothschild Palais, welches heute das Jüdische Museum beherbergt, 1945 ein Sammelpunkt für geraubte Kulturgüter statt, wo über eine Million Bücher und rituelle Objekte von den Alliierten gelagert und identifiziert wurden. Ziel war es, die ursprünglichen Eigentümer ausfindig zu machen und ihre Besitztümer zurückzugeben. Wo dies nicht möglich war, wurden Objekte an jüdische Institutionen weltweit übergeben.
Diese systematische Herangehensweise an die Rückgabe von geraubtem Eigentum könnte auch als Modell für die Stadt Hannover dienen. Angesichts der Komplexität der Provenienzfragen und der emotionalen Belastung, die mit der Restitution von Kunstwerken verbunden ist, ist der richtige Umgang mit solchen Fällen entscheidend. Das Beispiel des Gemäldes von Corinth illustriert die Herausforderung und die Verantwortung, die Kunstinstitutionen in Deutschland heute tragen.
Weitere Informationen zu den Hintergründen und der Geschichte der Restitution nach 1945 können auf den Webseiten des Jüdischen Museums sowie des Bundestages nachgelesen werden: Jüdisches Museum und Bundestag.