
In der Debatte um die Reaktivierung der Kernkraft in Deutschland bahnt sich eine neue Wende an. Nach der vollständigen Stilllegung der letzten drei Atomkraftwerke am 15. April 2023 wird der Ruf nach einer Rückkehr zur Atomkraft immer lauter. Ein Atomunternehmen behauptet, eine Rückkehr zur Atomkraft in Deutschland sei in wenigen Jahren und zu geringen Kosten möglich. Die grundsätzlich diskutierte Reaktivierung könnte bereits bis 2030 Realität werden, wenn der Rückbau der stillgelegten Anlagen sofort gestoppt wird. Dies berichtet Merkur.
Der Geschäftsführer des Dienstleisters Nukem, Thomas Seipolt, unterstreicht, dass Deutschland von günstigem und sicherem Strom profitieren könnte, sofern der Rückbau der betroffenen Kraftwerke gestoppt wird. Diese Kraftwerke sind unter anderem Isar 2 in Bayern, Emsland in Niedersachsen und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg. Obgleich der bayerische Ministerpräsident Markus Söder eine schnelle und kostengünstige Reaktivierung der 2023 abgeschalteten AKWs in Aussicht stellt, widersprechen die Betreiber von Isar 2 und Neckarwestheim 2 diesen Aussagen und betonen, dass bereits mit dem Rückbau begonnen wurde, was eine Reaktivierung unmöglich mache. ZDF fügt hinzu, dass Politiker der Union und der FDP die Wiederinbetriebnahme von Reaktoren fordern, die Ende 2021 und im April 2023 abgeschaltet wurden.
Technische und rechtliche Herausforderungen
Die technische Machbarkeit einer Wiederinbetriebnahme wird nicht in Frage gestellt, doch der Rückbau hat bereits bei einigen Kraftwerken, wie Gundremmingen C, weit fortgeschrittenen Fortschritt erreicht. Mehrere essentielle Komponenten sind jedoch bei den meisten abgeschalteten Reaktoren noch nicht abgebaut. ZDF hebt hervor, dass eine Wiederinbetriebnahme ein bis zwei Jahre in Anspruch nehmen könnte, um erforderliche Sicherheitsprüfungen und mögliche Erneuerungen von Anlagenkomponenten durchzuführen.
Rechtlich müsste zudem das Atomgesetz geändert werden, um bestimmten Kernkraftwerken die Stromproduktion zu gestatten. Die Kosten für eine solche Wiedereinstieg hängen von verschiedensten Faktoren ab und könnten im einstelligen Milliardenbereich liegen. Das wäre immer noch günstiger als der Bau von 50 neuen Gaskraftwerken. Tagesschau informiert zudem über die Herausforderungen des Fachkräftemangels, da viele der ehemaligen Mitarbeiter andere berufliche Perspektiven gewählt haben.
Trotz der tragenden Argumente von Befürwortern einer Rückkehr zur Atomkraft wird die Diskussion auch von Zweifeln und Bedenken begleitet. Kritiker weisen darauf hin, dass die Kosten für die Kernenergie über den gesamten Lebenszyklus hoch sind, insbesondere durch Bau-, Wartungs- und Endlagerungskosten. Wissenschaftler vom Öko-Institut argumentieren, dass Kernenergie nicht notwendig sei, um die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen, während Experten wie Christian Klöppelt vom Fraunhofer-Institut den Fokus auf den Ausbau erneuerbarer Energien legen. Dies unterstreicht die Kontroversität des Themas und die verschiedenen Ansichten über die zukünftige Energieversorgung in Deutschland.
Ein Wiedereinstieg in die Atomenergie wird von vielen als nicht notwendig erachtet, da der Anteil erneuerbarer Energien an der Nettostromproduktion in Deutschland im vergangenen Jahr bereits auf 62,7 Prozent gestiegen ist. Dennoch wird in der öffentlichen Diskussion weiterhin die Frage erörtert, ob und in welchem Umfang Kernenergie ein Teil der zukünftigen deutschen Energieversorgung sein kann und sollte.