
Im Landkreis Nienburg dürfen am 23. Februar über 90.000 Menschen an der Bundestagswahl teilnehmen. Ein wichtiges Merkmal dieser Wahl ist das inklusive Wahlrecht, das seit 2019 existiert. Es ermöglicht Menschen aller Volljährigen, ohne Ausnahme, ihr Stimmrecht auszuüben. Bis vor wenigen Jahren war die Realität jedoch anders, insbesondere für Menschen mit Beeinträchtigungen. Viele konnten ihre Stimme nicht abgeben oder waren gar vom Wahlrecht ausgeschlossen. Im Rahmen der rechtlichen Änderungen wurde dieser Ausschluss als verfassungswidrig erklärt und durch das Bundeverfassungsgericht aufgehoben.
Nach den neuen Regelungen dürfen nun auch Menschen wählen, die zuvor unter umfassender rechtlicher Betreuung standen. Diese Reform war ein bedeutender Schritt zur Gleichstellung und politischen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Trotzdem gibt es weiterhin Herausforderungen, vor allem im Hinblick auf die Wahlassistenz, die für betroffene Personen relevant sein kann. Wahlassistenz ist erlaubt, wobei die Begleitperson die Entscheidung des Wählers nicht beeinflussen darf.
Herausforderungen für das inklusive Wahlrecht
Die praktische Umsetzung des inklusiven Wahlrechts zeigt jedoch Schwächen. Während die Wahlassistenz theoretisch eine Unterstützung bietet, können in der Realität Barrieren bestehen. Insbesondere bei der Briefwahl gibt es, wie Die Harke anspricht, Herausforderungen, die Wählerentscheidung zu überprüfen.
Vor der Verabschiedung des inklusiven Wahlrechts waren in Niedersachsen schätzungsweise 8.000 Personen ausgeschlossen. Im Landkreis Nienburg ist unklar, wie viele Menschen vom inklusiven Wahlrecht tatsächlich profitieren. Die Melderegister erfasst diese Daten nicht, und es gibt auch Personen, wie etwa Wachkomapatienten, die faktisch nicht wählen können. Trotz der rechtlichen Fortschritte bleibt Barrierefreiheit ein bedeutendes Thema.
Barrierefreiheit und Wahlassistenz
Eine der wesentlichen Herausforderungen besteht darin, dass Wahllokale barrierefrei gestaltet werden. Gemeinden im Landkreis Nienburg mussten der Landeswahlleitung die Barrierefreiheit bestätigen, was zwar Fortschritte brachte, aber bei vergangenen Wahlen noch einige Wahllokale mit Nachholbedarf aufzeigte. Wie Intakt Community anmerkt, können Betroffene Wahlhelfer zu Rate ziehen oder eine vertraute Person mitzubringen, um Unterstützung in der Wahlkabine zu erhalten.
Zusätzlich gibt es Hilfsmittel, die von Organisationen wie dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverein e.V. angeboten werden. Dazu zählen Wahlschablonen und Audiomaterialien. Aktuelle Informationen zur Barrierefreiheit sind auf den Webseiten der Städte verfügbar, und viele politische Parteien bieten ihre Programme auch in leichter Sprache an.
Die politologische Diskussion um Menschen mit Behinderung, auch im Kontext der bevorstehenden Europawahl im Juni, gewinnt an Bedeutung. Dies unterstreicht die Tatsache, dass trotz bestehender Gesetze die Gleichstellung in der EU noch nicht erreicht ist. Der Protesttag für die Rechte von Menschen mit Behinderungen am 5. Mai spricht ebenfalls für die Dringlichkeit, diese Themen gesellschaftlich stärker zu beleuchten. Wie ZDF betont, verbietet es in verkündeten Entscheidungen, Menschen mit Behinderung pauschal vom Wählen auszuschließen.
Diese Entwicklungen zeigen, dass es noch ein weiter Weg zur vollen politischen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in Deutschland und der EU ist. Forderungen nach mehr Barrierefreiheit und einer besseren Teilhabe in der Politik bleiben weiterhin auf der Agenda.